Amy Winehouse ist tot. Im Leben belächelt und bedauert, mit Kopfschütteln oftmals bedacht, wird sie im Tod zur Soul Queen, zur größten Sängerin unserer Zeit stilisiert. Was aber sagt uns ihr tragischer Tod wirklich?
Auf Twitter verbreitete sich die traurige Nachricht in Windeseile. Kelly Osbourne war einer der ersten Freundinnen von Amy Winehouse, die ihren Schmerz in 140 Zeichen packte – während Amys Vater Mitch noch im Flieger nach New York City zu einem Gig keinerlei Kenntnis vom Tod seiner Tochter hatte. Die Nachrichtenredaktionen weltweit kreisten da bereits wie die Geier über Aas.
„Lost Soul“ – dieses Label haben ihr die Medien angehängt wie den berühmten Zettel an den großen Zeh.
Lost? Verloren? Ich weiß nicht.
Fünf Grammys konnten die junge Frau mit der verletzten Seele ebenso wenig trösten wie Millionen von Fans, die zu ihr hielten – durch dick und dünn, trocken und clean oder blau und im Rausch. Jetzt trauern sie massenhaft vor ihrem Londoner Haus am Camden Square, und auch das wird Amy nicht mehr wärmen.
Vielleicht war sie nie wirklich Captain auf dem Schiff ihres Lebens, schlingerte führerlos durch den Sturm, konnte in den tückischen Wassern des Musikbusiness nicht aufrecht stehen. In der Glamourwelt, in der jeder dein Freund ist, um sich ein Stück von dir und deinem Ruhm einzuverleiben, muss man ein Berg sein, um nicht unterzugehen. Amy aber war wohl eher ein Fähnchen im eisigen Wind.
Eine Stimme wie ihre, die so sehr berührt, in der Seele und Herz nackt bis auf die Knochen sind, die gibt es nicht für eine mit einer Schale aus Granit. Die gibt es nur für eine, die so tief empfindet, dass es weh tut. Eine, die sich zeigt. Eine, die man verletzen kann bis in den Tod und selbst darüber hinaus.
Umso zynischer all jene nun, die mit mitleidigem Blick und hängenden Schultern erklären, wie tragisch das alles sei, aber dass Amy verantwortlich wäre, dass sie sich schon hätte selbst aus dem Dreck ziehen müssen.
Vergessen, dass Sucht eine Krankheit ist? Dass die Sucht immer stärker ist als alles andere? Oder einfach verleugnet?
Warum? Weil das so viel bequemer ist? Weil man dann nicht wahrhaben muss, wie viel Anteil man selbst daran trägt, dass die Sucht größer und stärker werden und alles vereinnahmen, den ganzen Menschen schlucken kann? Weil man sich selbst so viel besser fühlen kann, wenn man auf eine wie Amy guckt und feststellt, was für ein Glück, dass es einem nicht so ergeht? Weil es Menschen immer gut tut, sich am Unglück der anderen zu wärmen?
Amy Winehouse wird zur Ikone werden, ihr Name nun für immer ein Atemzug mit Janis Joplin, Jimi Hendrix und Jim Morrison. Während ihr Grab zur Pilgerstätte gereichen wird, wird sie unsterblich bleiben in ihrer Musik.
Es wird eine Weile dauern, dann wird der nächste Stern am Musikhimmel aufgehen, der zu hell leuchtet, zu lodernd brennt, um auf ein langes Leben zu hoffen. Und alles wird von vorn beginnen.
„Love is a losing game“, hat Amy mehr gehaucht als gesungen. Vielleicht war das die größte Tragik ihres kurzen Lebens. Vielleicht war es aber auch nur die Erkenntnis einer, die längst alles wusste und deshalb keinen Sinn darin sehen konnte, am Leben festzuhalten.
Ich werde dich sehr vermissen, Amy. Mit „Back to Black“ hast du einem Abschnitt meines Lebens den perfekten Soundtrack gegeben.
Danke.