Die Komik der Verzweiflung

Wenn es in einer Stadt wie Berlin vor lauter über Vierzig Jährigen Singles angeblich nur so wimmelt, wo gehen die dann hin, um jemanden kennen zu lernen oder auch nur, um der Einsamkeit zu entrinnen? Vor allem, wenn ihnen gerade das Herz gebrochen wird?

Nichts im Fernsehen, keine Lust auf ein Buch (was selten genug vorkommt) und irgendwie verstimmt. Der Abend war anders geplant, giftige Meeresfrüchte beim Italiener um die Ecke schreiben die Geschichte neu. Sogar meine Geschichte, obwohl ich sie nicht gegessen habe (ich beiße auf nichts was Saugnäpfe hat), sondern die Freundin, die mit mir in die Tanzbar wollte und jetzt im Bett liegt, neben das sie sich einen Eimer gestellt hat (hat sie am Telefon gesagt, und ich schließe daraus, dass es ihr hundeelend geht).

Also mache ich es mir auf meiner Couch bequem, im Pyjama. Für eine dreiviertel Stunde. Dann ruft die Freundin wieder an, und ich frage mich für einen lächerlichen Moment, wo der Eimer jetzt wohl ist. Sie aber schnauft und kocht und verschluckt sich an der Erklärung – bis zum „ich muss hier raus, selbst wenn du schon im Pyjama sitzt“. Kann sie neuerdings hellsehen?

Es geht ihr also besser. Zumindest dem Magen. Eine Art Wunderheilung. Gut genug, dass sie ihre Nachrichten gecheckt hat und natürlich hat ER wieder abgesagt. Das macht der Kerl immer, zottelt sie am Gängelbändchen hinter sich her und lässt sie fallen, damit sie immer schön hinter ihm her rennt. Ich könnte ihm eine knallen dafür (wenn ich denn wenigstens wüsste, wie ER aussieht, der Hund).

Kurz darauf steht sie in meiner Tür, aufgedonnert und zu allem bereit. Ich habe es gerade mal geschafft, mich in der Kürze anzuziehen (und ich bin nicht krank). Wie viel Energie eine anständige Wut freisetzt, ist schon beachtlich.

Wir landen also doch in der Tanzbar. Am Himmelfahrtabend (oder auch Vatertag) und mir schwant schon beim Betreten, dass es ein Himmelfahrtskommando ist. Horden besoffener Jünglinge, die das Vatersein feiern, obwohl sie von diesem Zustand in etwa so weit entfernt sind wie ich von dem der Tanzlaune in diesem Augenblick. Das Parkett bleibt leer, nur die Lichtorgel wippt zur Musik. Vielleicht weil kaum Mädchen da sind?

Wir nehmen den Tisch in der hintersten, dunklen Ecke (wo man die Falten nicht sieht) und Cuba Libre (gute Idee meiner Freundin, denn Alkohol desinfiziert so schön) und Sex on the Beach (ohne Beach, aber Sex habe ich heute Abend bestimmt sowieso nicht).

Jetzt spielen sie deutschen Schlager, und am Nebentisch nimmt eines dieser skurrilen Paare Platz. Er Mitte Fünfzig mit Geld und Midlife Crisis, sie Anfang Zwanzig mit Gucci Tasche und Vaterkomplex. Einer der Jünglinge guckt immer wieder zu uns, aber der hat abstehende Ohren und – wie meine Freundin so treffend bemerkt: Wir sind doch nicht pädophil!

Und dann stellen wir uns vor, wie wir zu dem Jüngelchen gehen, ihm den Zeigefinger in die Brust bohren und vor versammelter, besoffener Horde sagen „komm du mir mal nach Hause!“. Wir kriegen uns kaum mehr ein, wir Muttis am Vatertag. Und für einen langen Moment ist ER vergessen, der Hund, von dem sie so unbedingt will, dass ER sie will.

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