Wie überflutet ist unser Alltag vom Thema Sex? Sind wir eher lustvoll oder vielleicht doch ganz lustlos? Reden wir eventuell mehr vom Sex als welchen zu haben?
Das Thema Sex ist heutzutage omnipräsent. In jeder Zeitung wimmelt es vor nackten Frauen (und halbnackten Männern) und im Fernsehen räkeln sich bare Busen. Kürzlich erst opferte der TV-Sender Vox sogar einen ganzen Samstagabend diesem Sujet.
Längst gibt es kaum mehr Tabus. Pikante Details des intimen Lebens werden freimütig unter Freundinnen (und sogar Arbeitskolleginnen) feil geboten. Wer nicht mitspielt, gilt schnell als prüde.
Doch damit nicht genug. Nichts ist so verpönt wie die Missionarsstellung, Ankuscheln und Schmusen gereichen höchstens noch zum maximalen Lachanfall. Langweilig, spießig ist, wer nicht Spielarten praktiziert, die vor Jahren noch als pervers gehandelt wurden.
Was ist da also los, in unseren Schlafzimmern (oder auch auf dem Küchentisch)? Ist selbst hier das Leistungsprinzip eingezogen? Hat sich das „Höher, Schneller, Weiter“ gemütlich eingerichtet? Und was ist aus Liebe, Nähe, Intimität geworden? Gibt es überhaupt noch Nähe, dort wo Sextoys, S/M, anonymer Parkplatzsex und Internetvoyeurismus das Zepter übernommen haben?
Vielleicht sind wir zu besessen davon, immer noch eins drauf setzen zu müssen. Ein Kick mehr, ein härterer Thrill, ein Stück weiter an den Abgrund gerutscht.
Oder aber es macht uns solche Angst, wenn uns jemand wirklich nahe kommt, dass wir Menschen lieber maximal aus Affäre-Distanz an uns heran lassen. Und das dann unter dem Deckmantel des ach-so großen Spaßes verstecken müssen, weil wir doch in einem Winkel unserer Seele wissen, dass uns etwas fehlt? Wie die Kinder, die im Wald pfeifen, weil der böse Wolf im Unterholz auf seinen Auftritt wartet? Nur, dass der böse Wolf in unserer Wirklichkeit nichts anderes ist als die Furcht vor Verletzung.
Vielleicht sollten wir umkehren. Dem Thema Sex das Gewicht nehmen, so dass es auch an Angstpotenzial verliert. Uns auf das Wesentliche besinnen. Auf totgesagte Werte wie das Leben gemeinsam zu meistern, Geborgenheit, Vertrauen, Verlässlichkeit. Die Fundamente, auf denen zwei stehen können müssen, ums sich einander öffnen und dadurch die Tiefe und Verbundenheit erleben zu können, die wahre Leidenschaft gebiert.
Vielleicht finden wir dann zurück zu uns und der Liebe. Ganz ohne Thrill, dafür mit der größtmöglichen Befriedigung. Und dann gibt es auch sicher wieder mehr dieser wunderbaren Momente, die einen in der Stadt der Liebe so sehr wärmen können:
Zwei Liebende in inniger Umarmung, versunken in einen Kuss, der die Welt anhalten und selbst alle Unbeteiligten drum herum strahlen lässt.